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Sarah Manguso: Zwei Arten von Verfall. Roman luxbooks 2010 ISBN 978-3-939557-06-7 240 Seiten, Hardcover, Schutzumschlag 22.80 Euro Eine Geschichte über eine tückische Autoimmunkrankheit, ein Jahrzehnt von wiederkehrender Paralyse, kollabierten Venen, Halskathetern, dem Tod von Freunden und Fremden, von Depression und Abhängigkeit und somit von abgedroschenen Metaphern für lange Krankheit. Könnte man denken. Doch entgegen den Klischees macht die Krankheit die Autorin nicht zu einem besseren Menschen. Vielleicht zu einem mit größerem Introspektionsvermögen. Dank einer nüchternen, präzise Sprache von lyrischer Intensität und schonungsloser Offenheit gegenüber der eigenen Egozentrik wird diese Krankengeschichte eben nicht zu einem der zahllosen Schicksalsberichte, sondern zu einer Auseinandersetzung mit Krankheit im Kontext der postmodernen amerikanischen Gesellschaft, in der die Erkrankte erwachsen wird. Manguso ist ein nahezu unmöglicher Spagat gelungen: eine fesselnde, unterhaltsame und anrührende Geschichte, die, ohne den Leser auch nur kurz zu verlieren, eine kunstvolle Analyse vollführt. Damit wird »Zwei Arten von Verfall« zur Essenz dessen, was eine Geschichte über Krankheit sein kann – und sein sollte. In den USA fand das Buch weitreichende Beachtung und wurde in der New York Times Sunday Book Review als eines der besten Bücher des Jahres 2008 aufgeführt. Dieses Buch ist neben so vielem mehr eine Suche nach angemessenen Beschreibungen für so noch nicht gekannte und noch nicht benannte Erfahrungen. Manguso lässt ihre Darstellung in Fragen münden – und in dem Aufruf, auf sich selbst Acht zu geben. Mit ihrer eigenen Wachheit hat Manguso eine außergewöhnliche und hellsichtige Erzählung geschaffen, die das Schreckliche in etwas Menschliches und Schönes verwandelt. (Emily Mitchell, New York Times, 22.06.2008) Manguso beschreibt, wie sich in ihren Zwanzigern eine spektakuläre Episode an die andere reihte. Immer lakonisch, nie tränentriefend, oft komisch. … Eine herausragende biografische Erzählung. (Nora Reinhardt, KulturSPIEGEL, Juli 2010) Für »Zwei Arten von Verfall« von Sarah Manguso braucht man starke Nerven – und doch lässt es einen nicht mehr los. Es ist eine entsetzliche Krankengeschichte, die wie ein Wunder gut ausgeht, und immer wieder habe ich beim Lesen nach hinten geschaut zu dem Foto der bildschönen Autorin, der 1974 geborenen Sarah Manguso, die das alles durchgemacht, überstanden und aufgeschrieben hat: wie sollen wir uns vorstellen, dass ein Virus das Blut eines Menschen geradezu auffrisst? Wo kommt so etwas her? Wir lesen, was das anrichtet: zehn Jahre lang Blutaustausch, kollabierende Venen, Lähmungen, Depressionen, Operationen, schrumpfende Muskeln, ein Körper, an dem so gut wie nichts mehr funktioniert. Sarah Manguso erzählt davon sieben Jahre nach ihrer Genesung, noch zögernd, nicht glauben könnend, dass der Spuk wirklich überstanden ist – sie erzählt zornig, erstaunt, nie jammervoll, nur manchmal mit fassungsloser Verzagtheit. Was für eine starke Frau, und was für ein alle Grenzen sprengendes Buch über Krankheit, die unser Leben von einem Moment zum andern ändern kann. (Elke Heidenreich, vigro praxis aktuell, 2. Heft 2010) Ein Durchbruch auf dem Gebiet der Memoiren und der Literatur. (Andrew Sean Greer) Das Ich von Mangusos Sätzen ist längst kein organisch empfindendes Ich mehr, es ist ein aus Krankheitsmomenten konstruierter Gegenstand. Eine große Depersonalisierungsmaschinerie hat dieses Ich wieder ausgespuckt, so wie die apparatemedizinischen Prozesse und wochenlangen Hospitalisierungen auch den Körper wieder ausgespuckt haben. … Das Ungewöhnlichste an diesem mit ungewöhnlichen Beobachtungen überreichen Buch ist aber seine überraschende Leichtigkeit. Manguso versteht sich, ohne die Miene zu verziehen, auf einen grotesken Humor. … Ohne die leiseste lyrische Restsüße funktioniert dieses Buch tatsächlich als ein aus sich selbst heraus leuchtendes Gedicht. (Gregor Dotzauer, Der Tagesspiegel, 30.05.2010) |